Wie gut, dass wir uns meistens nur eine Aktion pro Ausflug vornehmen. Heute wollten wir nach Misgav Am, etwa siebzig Kilometer von hier, der nördlichste Kibbuz in Israel. Es gab eine ganz gute Busverbindung dorthin, so dass wir nach zwei Stunden da gewesen wären. Aber als wir losgehen wollten, hatte der Bus schon eine viertel Stunde Verspätung. Wir warteten und warteten. Unsere Kleidung färbte sich dunkel, weil es schon wieder 37 Grad waren und uns das Wasser aus allen Poren rann. Letztendlich fuhr er mit einer halben Stunde Verspätung ab und wir waren froh, dass die Klimaanlage funktionierte. Noch sollten wir den Anschlussbus bekommen. Doch dann stieg ein Kontrolleur ein. Gleich der erste Fahrgast hatte kein Ticket und musste bei der nächsten Station aussteigen. Danach wurde es laut im Bus. Wir dachten erst, die Leute würden sich darüber aufregen, weil der eine raus musste, aber nein! Nahezu der halbe Bus war voll mit Schwarzfahrern. Der Bus stoppte und der Fahrer machte den Motor aus. Einer wollte zum Rauchen aussteigen, aber die Türen blieben zu. Großes Geschrei! Die Polizei kam vorgefahren, die Türen gingen auf und 25 Personen mussten aussteigen. Ein Teil der Leute war eine orthodoxe Großfamilie, der andere Teil ein Gruppe Jugendliche. Schwarzfahren kostet 40€, die Busfahrt 3€.

Diese ganze Aktion dauerte locker zwanzig Minuten und an Anschluss war nicht mehr zu denken. Der nächste Bus fuhr erst drei Stunden später. Der zentrale Busbahnhof lag mitten in der Stadt Kiryat Shmona und es war auch hier sehr heiß, so dass wir gar nicht über trampen nachdachten. Ein Einkaufszentrum gegenüber war klimatisiert und unsere Unterkunft für die nächsten drei Stunden. Immerhin gab es dort Kaffee.

Der letzte Teil unserer Tour war sehr spannend. Es ging ziemlich bergauf und es wurde immer grüner. Wir waren völlig fasziniert.

Warum Misgav Am? Der Kibbuz wird von drei Seiten direkt von der Grenze zu Libanon umschlossen. Er ist schwer gesichert. In Deutschland ist nur militärisches Gelände vergleichsweise eingezäunt. Es gab Zeiten, da war das nicht nötig. Das libanesische Dorf in direkter Nachbarschaft und der Kibbuz lebten in guter Beziehung nebeneinander. Sie kauften jeweils beim andern ein, der Kibbuz organisierte Kinoabende und die Nachbarn kamen, sie feierten miteinander Feste.

Es gibt Gedenksteine, die symbolisch für guten Beziehungen zu libanesischen Vereinen bzw. Gruppen stehen.

Dann kam 2006 der Libanonkrieg. Die Hisbollah (Hisbollah: Islamisch-schiitische Partei und bewaffnete Gruppierung im Libanon, die sich gegen die israelische Besatzung im Libanon richtet) nahm alle Ortschaften entlang der Grenze zu Israel ein und brachte alle um, die nicht geflüchtet waren. Die nächsten vier Jahre wurde der Kibbuz schwer attackiert. Danach ist es ruhiger geworden, aber sie müssen jederzeit mit Angriffen rechnen. 2019 wurde hier von Israelischer Seite eine acht bis zehn Meter hohe Mauer an der Grenze zum Libanon bis zum Mittelmeer gebaut.

Die nördlichste Stadt Israels Metula ist quasi eingemauert. Links der roten Linie ist Libanon. In dem Besucherzentrum lernten wir Natalie kennen. Sie hatte eine Pistole bei sich, worauf wir sie ansprachen. Sie hofft, sie nie benutzen zu müssen, doch sie kann besser schlafen.

Vierzig Kilometer von hier nach Westen ist das Meer und sie wünscht sich so sehr, dass sie eines Tages einfach ohne Mauer, ohne Krieg und ohne Grenzen da hin gehen kann und: „die libanesische Bevölkerung wünscht sich das genauso!“ sagte sie noch. Wir waren uns einig, dass Grenzen überflüssig geworden sind, weil es einfach nicht mehr zur Globalisierung passt.

Eigentlich hätten wir jetzt wieder zwei Stunden auf den Bus warten müssen. Der Kibbuz liegt so abseits, dass dort nicht so oft ein Bus vorbei kommt. Doch der Tipp eines Kibbuzniks half uns weiter. Wir sollten uns beim Ausgang hinstellen, von dort fahren 90% der Autos nach Kiryat Shmona, 85% davon würden uns mitnehmen. Wir mussten nicht lange warten, aber die Zeit haben wir noch genutzt für ein bisschen Farbe.

Dann hielt auch schon eine nette Frau an und nahm uns mit. Wir kamen ohne große Zwischenfälle zurück.

Related Posts

Privacy Preference Center